Afrikanische Spiele

Parade zum Tag von Camerone in Aubagne
Parade zum Tag von Camerone in Aubagne.

Legio patria nostra

Zum Safariurlaub nach Ostafrika. Zwischenlandung im damals noch französischen Djibouti. Überall lungern rauchende Legionäre mit umgehängten Maschinenpistolen herum. »Ultrast cool« war seinerzeit noch gar kein Ausdruck. Eine Mischung aus gelassener Gewaltbereitschaft und verschmitztem »leckt mich doch.« Trotz alberner kurzer Hosen und der drolligen képis blancs sehen die wettergegerbten Vierschröter außerordentlich gefährlich aus. Auffallend und stechend, die ausgeblichenen, unnatürlich hellen Augen. Meine Mutter zerrt mich ständig am Ärmel und warnt vor unnötigen Provokationen: »Starr’ doch nicht immer so!«

Ngorongoro, Kilimandscharo und Lake Manyara mit seinen Flamingo-Explosionen und den berühmten Baumlöwen schienen mir in Folge nicht halb so beeindruckend, wie diese Wildtiere am Horn von Afrika.

Noch heute lasse ich keine Reportage über die Ausbildungslager in Guayana aus und kann immer noch die sieben Artikel des Ehrenkodexes aufsagen. Die Parade zum 14. Juli schaue ich mir nur an, um ein Fähnlein aufgebrezelter Desperados zu spät kommen zu sehen. Der Arc de Triomphe schiebt sie nicht, die Place de la Concorde zieht sie nicht, der tosende Applaus treibt sie nicht. In ihrem traditionell schleppenden Schrittmaß stapfen sie als Allerletzte über ausgetretene Elysische Felder. Nicht der Wüstensand, wie eine vordergründige Legende lügt, hat die Legion der Verdammten in die Zeitlupe gezwungen. Es ist die romantische Gravität aus schwerem Mut und schwerem Blut, die den beschwingten Tritt verweigert.

Danjous Hand

Die neue Gralsidentität – nie sollst du mich befragen – mit der stillschweigenden Unterstellung vorausgegangenen Scheiterns, die heroischen Mythen der Niederlage (Camerone, Dien Bien Phu, Sidi bel Abbès), die Beschwörung horrender Verluste, bei fast verächtlicher Indifferenz gegenüber Erfolg und Effizienz, all dies speist eine Apotheose des Verlierers, der ein morbides Sakrament erwachsen ist.

Einmal im Jahr, am 30. April, dem Tag von Camerone, wird in feierlicher Prozession eine kunstvoll geschnitzte Monstranz aus der Museumskrypta der Maison mère in Aubagne über die Voie sacré (sic!) zum Allerheiligsten, dem Monument aux morts getragen. Das Reliquiar enthält die hölzerne Handprothese eines gewissen Capitaine Danjou, der sich mit seinem verschworenen Häuflein gegen eine Unsterblichkeit verheißende Übermacht gestellt, und in einem unbedeutenden Scharmützel um einen besseren Bauernhof (die mexikanische Hazienda Camerone) den Unterschied zwischen Todes- und Lebensverachtung klein, und die Verleugnung der Sinnfrage groß gemacht hatte. – Als wenn ich es nicht schon mit neun gewusst hätte: Legio patria nostra.

© 2022 Christoph D. Hoffmann
Bildnachweise
Camerone: Wikimedia | Danjous Hand: Wikimedia

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