Lob der Zerstreuung

Gotthold Ephraim Lessing

Gotthold Ephraim Lessing

Über Umwege auf eine hübsche Sprachblase Lessings gestoßen, die sich sogar als durchaus tröstlich erweisen kann. Dann jedenfalls, wenn man sie vorsätzlich aus ihrem Zusammenhang reißen mag:

»Der Zerstreute denkt, und denkt nur das nicht, was er, seinen itzigen sinnlichen Eindrücken zu Folge, denken sollte. Seine Seele ist nicht entschlummert, nicht betäubt, nicht außer Tätigkeit gesetzt; sie ist nur abwesend, sie ist nur anderwärts tätig.«

In seiner »Hamburgischen Dramaturgie« (Bd. I, Acht und zwanzigstes Stück) geht es Lessing um die Frage, ob sich die Komödie über ein natürliches Gebrechen lustig machen darf und ob die Zerstreuung dementsprechend ein unverschuldetes Leiden oder aber ein zurechenbares Laster sei.

Ich würde die Stelle lieber als »Lob der Zerstreuung« lesen: Der Zerstreute Gedanke sozusagen als vielsagende Tarotkarte genommen, die einen »unheimlich geleitet« oder »kreativ befreit« in vielversprechendes Neuland führt.

© 2022 Christoph D. Hoffmann
Bildnachweise
Lessing: Wikimedia

Kommentare sind geschlossen.