Kategorie: Literatur
Sprachblasen
Von Gedankenschwere entlastet, lösen sie sich vom Grund, steigen auf und zerplatzen an der Oberfläche: Sprachblasen.
Anders als bei Sprüchen, darf hier nicht geklopft werden. Das leiseste Schnipsen an den Rand ihrer Welt, und schon hat man den Überblick verloren. Bloß keinen eigenen Beitrag leisten, und du wirst mit prickelnden Einzelheiten belohnt.◄
Heimkehr zum Ursprung
Alle schlechten Autoren sind einander ähnlich. Alle großen Schriftsteller sind grandios auf ihre eigene Weise.
Der lange tiefe Atem großer Erzähler bläht unsere schlaffen Segel und bläst uns aus kurzatmigen Handlungen weit ins Ozeanische hinaus. Die Heimkehr zum Ursprung ist das Abenteuer und alles Getriebe und Getreibe verherrlicht den Bestand.
»Aber warum nach Petersburg?« fragte Natascha plötzlich und antwortete selber hastig darauf: »Nein, nein, es musste so sein! Nicht wahr, Marie?«◄
Zeitensucher
Das schiere Volumen scheint den Leser zu drängen, ein forçiertes Lesetempo vorzulegen. – Ars longa, vita brevis. – Doch vor bulimischer Lektüre sei gewarnt: »All you can eat« bleibt selten »all you can keep«! – Slow Food ist freilich keine Lösung. – Den kleinbürgerlichen Genusserziehern scheint entgangen, dass sich Lust nicht konditionieren lässt. Beruhigt sie sich doch keineswegs in »bewusstem Konsum«, sondern allenfalls in der Ewigkeit.
Bittere Pillen
Bittere Pillen in süßem Mantel – kein neuer Apothekertrick. Maeve Brennans kühle Geschichten leben von einer Abwandlung desselben. Sie werden in Form invertierter Dragées verabreicht. Vordergründiger Widerwille auf der Zungenspitze, scharfes Kratzen im Hals, ein bitterer Abgang, und schon hat man mehr Mitgefühl im Bauch, als man sich eigentlich zumuten wollte.◄
Vorbehalt
Unsere verharmlosenden „Gänsefüßchen“ heißen im Italienischen »virgolette« (Jungfräulein). Zwischen ihnen werden keine entlastenden Zitate, weder rechthaberische Belege, noch aufplusternde Referenzen »angeführt«. Vielmehr behält sich ein rücksichtsvoller gentiluomo unter vorsorglichem Selbstverdacht: »wurden zwischen bedeutungsschwangeren Vereinnahmungen womöglich naive, unschuldige und wehrlose Opfer geschändet?«◄
Mut zur Lücke
Aphorismen stehen zu Recht unter Verdacht. Sie fordern zu nickender Mitwisserschaft heraus. Alle fühlen sich (ein-)gesammelt und hinter enthymematischer Geste gerät jede Ungenauigkeit zu hintergründigem Raunen. Ein Geheimbund entsteht. Die Ellipse wird zum Erkennungszeichen. Esoterisch wird der »Mut zur Lücke« gelobt.◄
Kurzgeschichte
Europäer schreiben keine Kurzgeschichten. – Wir haben nicht mal eine.◄
Undine
Letzte Worte
Aphorismen, wer macht denn so was? Eitle alte Säcke, die mit ihren famous last words präfinale Geltungsansprüche anmelden? Oder feige alte Säcke, die im glatten Gewebe aussichtslos überdachter Meinungen eine verlorene Masche frischer Einsicht ertasten? Anstatt zu schauen, wie weit sie beim Aufribbeln kommen, stopfen sie drum herum, und setzen einen Flicken darauf. – Unfreiwillig moribund muten beide Haltungen an. ◄
Sprachblasen

Von Gedankenschwere entlastet, lösen sie sich vom Grund, steigen auf und zerplatzen an der Oberfläche: Sprachblasen.
Anders als bei Sprüchen, darf hier nicht geklopft werden. Das leiseste Schnipsen an den Rand ihrer Welt, und schon hat man den Überblick verloren. Bloß keinen eigenen Beitrag leisten, und du wirst mit prickelnden Einzelheiten belohnt.◄
Heimkehr zum Ursprung

Alle schlechten Autoren sind einander ähnlich. Alle großen Schriftsteller sind grandios auf ihre eigene Weise.
Der lange tiefe Atem großer Erzähler bläht unsere schlaffen Segel und bläst uns aus kurzatmigen Handlungen weit ins Ozeanische hinaus. Die Heimkehr zum Ursprung ist das Abenteuer und alles Getriebe und Getreibe verherrlicht den Bestand.
»Aber warum nach Petersburg?« fragte Natascha plötzlich und antwortete selber hastig darauf: »Nein, nein, es musste so sein! Nicht wahr, Marie?«◄
Zeitensucher

Das schiere Volumen scheint den Leser zu drängen, ein forçiertes Lesetempo vorzulegen. – Ars longa, vita brevis. – Doch vor bulimischer Lektüre sei gewarnt: »All you can eat« bleibt selten »all you can keep«! – Slow Food ist freilich keine Lösung. – Den kleinbürgerlichen Genusserziehern scheint entgangen, dass sich Lust nicht konditionieren lässt. Beruhigt sie sich doch keineswegs in »bewusstem Konsum«, sondern allenfalls in der Ewigkeit.
Bittere Pillen

Bittere Pillen in süßem Mantel – kein neuer Apothekertrick. Maeve Brennans kühle Geschichten leben von einer Abwandlung desselben. Sie werden in Form invertierter Dragées verabreicht. Vordergründiger Widerwille auf der Zungenspitze, scharfes Kratzen im Hals, ein bitterer Abgang, und schon hat man mehr Mitgefühl im Bauch, als man sich eigentlich zumuten wollte.◄
Vorbehalt

Unsere verharmlosenden „Gänsefüßchen“ heißen im Italienischen »virgolette« (Jungfräulein). Zwischen ihnen werden keine entlastenden Zitate, weder rechthaberische Belege, noch aufplusternde Referenzen »angeführt«. Vielmehr behält sich ein rücksichtsvoller gentiluomo unter vorsorglichem Selbstverdacht: »wurden zwischen bedeutungsschwangeren Vereinnahmungen womöglich naive, unschuldige und wehrlose Opfer geschändet?«◄
Mut zur Lücke
Aphorismen stehen zu Recht unter Verdacht. Sie fordern zu nickender Mitwisserschaft heraus. Alle fühlen sich (ein-)gesammelt und hinter enthymematischer Geste gerät jede Ungenauigkeit zu hintergründigem Raunen. Ein Geheimbund entsteht. Die Ellipse wird zum Erkennungszeichen. Esoterisch wird der »Mut zur Lücke« gelobt.◄
Kurzgeschichte
Europäer schreiben keine Kurzgeschichten. – Wir haben nicht mal eine.◄
Undine
Letzte Worte
Aphorismen, wer macht denn so was? Eitle alte Säcke, die mit ihren famous last words präfinale Geltungsansprüche anmelden? Oder feige alte Säcke, die im glatten Gewebe aussichtslos überdachter Meinungen eine verlorene Masche frischer Einsicht ertasten? Anstatt zu schauen, wie weit sie beim Aufribbeln kommen, stopfen sie drum herum, und setzen einen Flicken darauf. – Unfreiwillig moribund muten beide Haltungen an. ◄